Inhalt
Eine Moorleiche beschäftigt die Münsteraner Kriminalpolizei. Noch ist die junge Frau nicht identifiziert, doch uralt scheint sie nicht zu sein, denn sie trägt Turnschuhe und eine alte Schuluniform. Doch das ist nicht das einzige Rätsel, mit dem sich Hauptkommissar Frank Thiel, der sich gerade erst von seiner Heimatstadt Hamburg hat hierher versetzen lassen, beschäftigen muss. Die junge Jennifer Müller erklärt ihre Mutter für vermisst und Blutspuren in der Tiefgarage der Frau deuten tatsächlich auf ein Verbrechen hin.
Ganz so turbulent hat sich Thiel seinen Einstieg nicht vorgestellt und schon gar nicht die erste Begegnung mit seinem Vermieter und Nachbarn, dem er versehentlich bei der Begrüßung die Vorderzähne mit einem Bettgestell ausschlägt. Was er nicht ahnt: er hat niemand anderen als den stellvertretenden Leiter des Rechtsmedizinischen Instituts Professor Karl-Friedrich Boerne vor sich. Die schmerzhafte erste Begegnung liefert nicht gerade die Grundlage für eine entspannte Beziehung, aber Thiel erkennt schnell, dass sich der elitäre Boerne nicht nur damit zufrieden gibt, ein paar Leichen zu sezieren. Hanseatische Bodenständigkeit trifft auf Westfälische Bourgeoisie: der Beginn einer ungewöhnlichen Freundschaft.
Doch, so müssen beide schnell erkennen, sie können diesen Fall nicht ohne den anderen lösen. Während Boerne also zusammen mit seiner kleinwüchsigen Assistentin Silke Haller – von ihm sowohl provokativ, wie auch liebenswürdig Alberich genannt – versucht die Identität der Moorleiche zu klären, versucht Thiel mit der jungen Nadeshda Krustenstern, die unter ihm ihre Ausbildung zur Kommissarin abschließen soll, die losen Enden dieses verzwickten Falls zu verknüpfen.
Was ist mit der verschwundenen Frau Müller passiert? Besteht womöglich sogar ein Zusammenhang mit dem Auftauchen der mysteriösen Moorleiche? Und welche Rolle spielt die Münsteraner Nobelfamilie Alsfeld in alldem?
von Jolli
Gastdarsteller
- Oliver Bokern
- Sandra Leonhard
- Dieter Kirchlechner
- Renate Schroeter
- Bastian Trost
- Michaela Schaffrath
Gabi meint
Der erste Fall für Thiel und Boerne, eine der besten Folgen und eine der wichtigsten für die Charakterisierung der Figuren. In den Grundzügen ist schon alles da, was die Eigenarten der Hauptpersonen und ihrer Beziehungen zueinander ausmacht, obwohl das später noch einerseits differenziert, andererseits zugespitzt wird, und vor allem auf Boerne trifft das in besonderem Maße zu.
Wir lernen den Professor mit seinen typischen Eigenschaften kennen. Er ist egozentrisch und exzentrisch, ungeduldig, sarkastisch, rücksichtslos, arrogant, besserwisserisch, eitel… die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Gleichzeitig überrascht er immer wieder durch Wesenszüge und Verhaltensweisen, die man nicht bei ihm vermutet hätte, und einiges wird sogar direkt ausgesprochen: Seine Zwergenwitze über Alberich sind ’seine Art, ihr seine Wertschätzung zu zeigen‘ (Klemm zu Thiel), er weiß auch selbst genau, was er an Alberich hat: ‚Was wäre ich ohne sie‘, trotz seines zur Schau getragenen Snobismus hat er mit dem Dünkel der besseren Münsteraner Gesellschaft überhaupt nichts am Hut, seine Auftritte sind oft reine Show (‚Und,wie war ich?,‘ nach einer Telefon-Tirade), und natürlich der Schlüsselsatz schlechthin: ‚Keine Sorge, morgen bin ich wieder mein altes garstiges Selbst.‘
Meiner Meinung nach wird hier ganz klar, dass viele seiner Eigenheiten Teil einer sorgfältigen Selbstinszenierung sind, die sich mittlerweile zum Teil verselbständigt hat. Er wirkt hier auch längst nicht so verschlossen wie oft in späteren Folgen und seine Sprüche sind nicht gar so ätzend. Offenbar hat man hier getestet, wie das Konzept und so eine Figur beim Publikum ankommen, und aufgrund des durchschlagenden Erfolgs eben die weniger angenehmen Seiten Boernes zugunsten der Komik, aber zu Lasten der Charaktertiefe mehr in den Vordergrund gestellt.
Glücklicherweise gibt es auch später immer wieder den ‚anderen‘ Boerne zu sehen, ich habe ihn also nicht nur geträumt.
Jolli meint:
Ein gelungener Start für ein neues Tatort-Team. Alle Hauptcharaktere werden sofort mit all ihren Facetten eingeführt, die sie im Laufe der nächsten Jahre noch deutlicher prägen werden. Ganz vorne mit dabei natürlich Karl-Friedrich Boerne, der besserwisserische Snob, der mit seinem Hang zum Schönen und Teuren natürlich einen hervorragenden Kontrast zum doch eher bescheidenen und wortkargen Thiel bildet. Wer die ersten Interaktionen zwischen den beiden sieht, ahnt bereits, was für eine verrückte Beziehung sich im Laufe der Zeit entwickeln wird.
Eine meiner Lieblingsszenen ist ganz klar die erste Begegnung im Flur, die Boerne schließlich die Vorderzähne kostet. Man erkennt, dass der Münsteraner Tatort nicht vor hat, nach alten Mustern zu arbeiten, sonst hätte es Boerne vermutlich schon beim ersten Mal erwischt. Aber es ist vielleicht auch eine Anspielung auf Boernes Schlagfertigkeit. Mit dem ersten Schwung rechnet er bereits, dann erwischt ihn Thiels Attacke aber doch eiskalt.
Dass Boerne nicht einfach nur eine nervtötende Witzfigur ist, zeigen die Szenen, in denen klar wird, wie vielschichtig der Charakter ist. Er zieht Alberich ständig mit gemeinen Bemerkungen auf, gleichzeitig ist sie aber auch der „Goldzwerg“ für ihn. Wenn es ihm nur darum gegangen wäre, sie zu ärgern hätte er sie ja auch Zwerg Nase nennen können. Er sagt ja auch „Was wäre ich ohne sie?“ und sie nennt ihn den „besten Chef, den‘s gibt.“
Eine weitere Lieblingsszene ist sicher auch die Szene im Moor. Der Schlagabtausch Boerne-Thiel-Alberich-Bulle ist einfach genial (schade nur, dass die Figur des Bulle nach einigen Episoden sang- und klanglos verschwindet).
Schwächen gibt er nur wenige preis. Trotzdem redet er mit Thiel über seine gescheiterte Ehe und er tröstet die tief getroffene Jennifer, nachdem sie die Wahrheit über ihren Vater erfährt.
Von dem braven Rechtsmediziner, der immer nur in seinem Institut bleibt und die Polizei ihre Arbeit machen lässt, ist Boerne weit entfernt. Dass er sich auch mutig selbst ins Getümmel stürzt, zeigt schon die Szene, als er sich mit seinem Auto dem verdächtigen Wagen in den Weg stellt, um ihn aufzuhalten. Noch deutlicher wird es aber später in der alten Kaserne der Briten, als er trotz Thiels unmissverständlicher Aufforderung zurückzubleiben nicht von der Seite des Hauptkommissars weicht und deshalb fast gegrillt wird.
Die Wahl des Themas, mit den Alsfelds einen Bezug zur Münsteraner Oberschicht herzustellen, kommt sicher nicht von ungefähr. Schließlich spielt Boernes Zugehörigkeit zur lokalen Elite immer wieder eine Rolle, auch in zukünftigen Episoden. Dass er dabei immer wieder hin- und hergerissen ist zwischen gesellschaftlichen Loyalitätsverpflichtungen und persönlichen Gefühlen macht ihn wiederum zu einem Charakter, für den der Zuschauer Sympathie empfindet.
Alles in allem also eine sehr gelungene Episode, die Lust auf mehr macht.
Links:
- Artikel: “Schluss mit Würstchengrillen” zu “Der dunkle Fleck” in der Berliner Zeitung (Oktober 2002)
17. März 2013 um 12:39
Ich habe meine Mutter im Oktober mit dem Tatort-Münster-Virus infiziert und warte seitdem darauf, dass endlich einmal „Der dunkle Fleck“ wiederholt wird, weil ich eben auch finde, dass die Folge insgesamt ein genialer Einstieg ist.
Thiel und Boerne sind schon super definiert, was natürlich in den kommenden Folgen weiter auf die Spitze getrieben wird, aber hier liebe ich sie einfach. Nicht nur Frust und Gemotze speziell von Thiel, sondern auch immer wieder Zusammenarbeit. Das gefällt mir sehr. Und ich mag, wenn bei Boerne die mitfühlende, vernünftige Seite durchblitzt, die er ja leider nur selten zeigen darf. Speziell die Szene, in der er die junge Frau tröstet (Name entfallen, sorry) – und der Spruch danach: „…morgen bin ich wieder mein altes, garstiges Selbst“, ist ja wohl mehr als eindeutig. Der Mann besteht zu 90% aus einer perfekt inszenierten Fassade, nur damit keiner sieht, wie er wirklich tickt.
Außerdem liebe ich die Folge wegen seines Zusammenspiels mit Alberich. Herrlich. Ich finde, die beiden gehören seit Jahren zusammen, nur auf mich hört ja niemand. *lol*
Außerdem wohl einer der wenigen Tatorte (mir fällt gerade kein anderer ein außer unfreiwillig „Sag nichts“, in der Boerne mit Anzug, aber ohne(!) Krawatte herumläuft! =)
17. März 2013 um 19:21
Word! :-)
6. November 2016 um 21:31
Der erste Fall aus Münster der Dunkle Fleck war für mich ein toller Einstieg für Jan Josef als Prof. Karl Friedrich Boerne und Axel Prahl als Frank Thiel. Sie bringen mich zum Lachen. 😃 Jan Josef alias Prof. Boerne ist für mich ein sympathischer Mann und er bringt mich um den Verstand und er gefällt mir so . Er hat ein sympathisches Aussehen und ist immer hübsch angezogen mit seinem Anzug und Schlips. 😍
24. November 2016 um 16:44
Ich finde auch, dass Liefers ihn klasse spielt, ABER er selbst mag Boerne – die Figur – nicht. Er sagt, dass er nichts mit ihm gemein habe.
24. November 2016 um 16:43
Für mich war dieser Tatort ebenfalls ein genialer Einstieg. Es geht nicht nur um den Humor, den beide verbreiten und den Wortwitz. Man bekommt auch ein paar Hintergründe mit – Boerne will auch mal in die erste Reihe und ermitteln – sondern man spürt dort schon, dass beide zwar entfernt voneinander sind, aber auch sehr viel Nähe haben.