Es ist ein Thema, das kaum noch öffentliche Aufmerksamkeit erregt. Noch vor einigen Jahren waren die Worte „Dritte Welt“ in aller Munde, heute findet zwischen Anti-islamischen Filmproduktionen, Euro-Krise und Nahost-Konflikt die Frage kaum noch Platz, was aus dem großen Versprechen geworden ist, den Entwicklungsländern Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten.
Das Stichwort heißt Rohstofftransparenz. Faktisch könnten die betroffenen Länder einen erheblichen Profit aus dem jährlich erwirtschafteten Volkseinkommen beziehen, um damit aktiv Entwicklungsprojekte voranzutreiben. Sergius Seebohm von der Organisation ONE Deutschland hat bereits seit Längerem darauf hingewiesen, dass der afrikanische Kontinent mit den Einnahmen aus derzeitigen Rohstoffexporten das Sechsfache von dem verdient, was er an Entwicklungshilfe erhält. Obwohl gerade Afrika mit verschiedenen Metallen, Mineralien und Erdölvorkommen reich an begehrten Rohstoffen ist, gehört der Kontinent zu den ärmsten der Welt. Wohin also verschwindet all das ganze Geld aus diesen lukrativen Geschäften?
In den letzten Jahrzehnten hat der internationale Rohstoffhunger extrem zugenommen, was zwangsläufig auch zu steigenden Preisen geführt hat. Einst dominierten die USA mit großangelegten Abbau- und Förderprojekten den Handel mit Rohstoffen, inzwischen hat China dieses Zepter übernommen. Indem chinesische Staatsunternehmen mit aufwendigen Entwicklungshilfen die Gunst der rohstoffführenden Regierungen erringen und gleichzeitig eigene Ressourcen dem Handel entziehen, baut China seine Machtstellung auf dem Weltmarkt aus. Doch das ist nicht der einzige Knackpunkt.
Ein entscheidendes Problem liegt in der durchaus gebräuchlichen und schwer zu durchschauenden Steuerflucht internationaler Unternehmen, die am Rohstoffhandel beteiligt sind. Die Firmen nutzen gesetzliche Schlupflöcher und Grauzonen, um Geld ins Ausland zu transferieren und entziehen damit dem Staatshaushalt betroffener Rohstofferzeuger wichtige Finanzmittel. Sehr beliebt ist dabei das sog. transfer pricing und das Fälschen von Handelspreisen, wodurch sich die Firmen in ihrer Bilanz ärmer präsentieren, als sie faktisch sind und daher zu wenig Steuern bezahlen. Studien gehen davon aus, dass in Afrika etwa 60% der Preise im Außenhandel gefälscht sind.
Ein weiterer Faktor ist das mangelhafte Steuersystem und die Korruption in vielen Ländern. Ein Großteil der Gewinne aus dem Rohstoffhandel fließt in die politische Oberklasse, die damit ihr Privatvermögen bereichert, welches sie auf ausländischen Konten in beliebten Steueroasen anlegt.
Eine Grundvoraussetzung, um genau das zu verhindern ist eine größere Transparenz des Geldflusses, der durch den Rohstoffhandel entsteht, um damit unter anderem eine verbesserte Steuerehrlichkeit zu bewirken. Dies kann nur funktionieren, wenn die Unternehmen eine lückenlose Berichterstattung der länderbezogenen bzw. projektbezogenen Finanzierungen offenlegen, die auch die dazugehörigen Tochterunternehmen miteinschließt. Dies würde die Regierungen der betroffenen Länder nicht nur in eine strengere Verantwortungspflicht nehmen, es würde der lokalen Bevölkerung auch die Möglichkeit geben, sich einen Überblick über den Wert ihrer Bodenschätze zu verschaffen und entsprechende Preise für Abbaulizenzen zu verlangen, die momentan meist noch viel zu niedrig angesetzt sind.
Ein solches Gesetz hätte auch seine Vorteile für den Fiskus der involvierten Industrienationen. So könnten komplexe Finanzierungsstrukturen transnationaler Konzerne durchschaubarer werden, wodurch sich Investoren einen besseren Überblick verschaffen und belastbare Informationen über Steueroasen gesammelt werden könnten.
Die USA hat bereits den Ernst der Lage erkannt. Unter Federführung der Senatoren Ben Cardin (Demokrat) und Richard Lugar (Republikaner) wurde vor kurzem eine Verordnung der US-Börsenaufsicht verabschiedet, die besagt, dass Rohstoffunternehmen ihre Zahlungen an Entwicklungsländer ab umgerechnet 100.000 Euro lückenlos offenlegen müssen und auch nicht auf Wunsch der rohstoffliefernden Regierungen davon befreit werden können. Dafür müssen alle Zahlungen für jegliche Schürf- und Bohrprojekt gesondert nach Ländern aufgeführt werden.
Ein ähnliches Gesetz wird momentan auch in der EU verhandelt. Überhaupt gilt es als unumstritten, dass die Transparenzpflicht am effektivsten wirkt, wenn sie möglichst international durchgesetzt wird, um jegliche Fluchtmöglichkeiten auszuschließen. Heikel ist nur, dass es ausgerechnet die deutsche Bundesregierung ist, die sich gegen ein solches Gesetz sträubt.
In Deutschland gilt im Moment lediglich eine Pflicht zur länderbezogenen Offenlegung, die jedoch keinerlei Aufschluss über projektbezogene Daten gibt. Vom Justizministerium heißt es, dass die neuen Bestimmungen der US-Börsenaufsicht zunächst einmal geprüft werden müssen. Doch diese Verzögerungstaktik hat in den USA längst für rote Köpfe gesorgt.
Die deutsche Regierung argumentiert mit einer Benachteiligung der europäischen Wirtschaft, sollten sich die Bestimmungen in den USA nicht durchsetzen können. Sollte ein solches Gesetz in der EU zum Tragen kommen, in den USA aber nicht, entstünden Wettbewerbsnachteile, die im schlimmsten Fall die Rohstoffversorgung europäischer Unternehmen gefährden könnten.
John Browne, Chef des Ölkonzerns BP, wies unlängst diese Sorgen zurück. Durch die Offenlegungsbestimmungen entstünde für die Konzerne weder zusätzliche Bürokratie, noch seien Betriebsgeheimnisse gefährdet.
Viel wahrscheinlicher ist es, dass sich die deutsche Regierung dem zunehmenden Druck der Industrie beugt. Zur Sicherung der Rohstoffversorgung, gerade von begehrten Ressourcen wie Lithium, Wolfram und Seltener Erden, wurde der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) unter der Leitung von Ulrich Grillo gegründet. Finanziert wird diese Rohstoffallianz durch große Konzerne aus Auto-, Chemie- und Schwerindustrie. Lobbyisten dieser Unternehmen nutzen zweifellos ihren Einfluss, um die eigenen Interessen auf politischer Ebene durchzusetzen.
Internationalen Organisationen wie Transparency International und ONE fordern die deutsche Regierung nun auf, ihre Blockade gegen das EU-Gesetz aufzugeben. Ende September diesen Jahres überreichten Jan Josef Liefers und Anna Loos im Namen von 160 000 Unterstützern einer Online-Petition von ONE Deutschland eine CD mit gesammelten Unterschriften an Birgit Grundmann, die Staatsekretärin des Bundesjustizministeriums, um diese Forderung zu bekräftigen.
Bereits im Januar waren Jan und Anna zusammen mit Bono, Sänger der Band U2 und Mitgründer von ONE, nach Ghana gereist, um die sog. Millenniumsdörfer zu besuchen (alles zu den Millenniumszielen findet ihr hier). Begleitet wurden sie dabei unter anderem vom amerikanischen Ökonomen und UN-Berater Jeffrey Sachs.
In Ghana leistet George Osei-Binpeh, der selbst zwar aus armen Verhältnissen stammt, aber dank eines Stipendiums in Cambridge studieren konnte, vorbildliche Arbeit. Mit einer Initiative setzt er sich dafür ein, dass die Haushaltspläne der Regierung kritisch geprüft werden, um genau jene erforderliche Transparenz zu schaffen. Dieses Projekt gilt als Erfolgsmodell.
Wie sich die Dinge hier in Deutschland entwickeln, wird die Zukunft zeigen. Jan hat bereits über Facebook angekündigt, dass weitere Gespräche mit dem Justizministerium geplant sind. Eine Annäherung ist also in Sicht. Wann und ob aber schlussendlich ein entsprechendes Gesetz auch mit deutscher Zustimmung in Brüssel durchgesetzt werden kann, hängt wohl noch von vielen Faktoren ab. Wichtig bleibt weiterhin, dass das Thema nicht in irgendeiner dunklen Schublade in Vergessenheit gerät, sondern einen Weg in die Medienpräsenz findet, um weitere Unterstützer zu mobilisieren und den Druck auf die Regierungen aufrecht zu erhalten.