Jan Josef Liefers

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Tatort – ‚Sag nichts‘ (2003)

Inhalt

sag nichtsEin gemütlicher Angelausflug von Thiel mit seinem Vater endet in Arbeit. Am Ufer des Sees wird die Leiche eines erschlagenen Mannes gefunden, zusammen mit den Reifenspuren eines markanten Geländewagens. Die Spur führt zu Rike Baermann, der Ehefrau des Opfers Wolfram Baermann und Boernes Physiotherapeutin, deren Wagen tatsächlich verdächtige Dreckspuren aufweist. Doch die Frau hat ein Alibi, so behauptet sie zumindest auf einer Fortbildung in Wilhelmshafen gewesen zu sein.

Verdächtig verhält sich aber auch der beste Freund des Opfers Klaus Weisberg, der zudem der Nachbar und Geschäftspartner von Baermann war. Für Thiel ist schnell klar, dass der Mann mehr im Sinn hat, als nur die arme Witwe zu trösten, doch das allein ist sicher kein Verbrechen. Auch er scheint ein Alibi zu haben, also muss der Hauptkommissar nach anderen Indizien suchen.

Zu seinen schwersten Aufgaben gehört es, den Vater des Opfers vom Tod seines Sohnes zu unterrichten. Dieser scheint vom Unglück verfolgt zu sein, denn erst einige Tage zuvor war seine zweite Frau gestorben, nachdem ihm seine erste Frau bereits vor Jahren auf Nimmerwiedersehen verlassen hatte. Seit diesem Trauma  ist auch seine Tochter Hanne in psychiatrischer Behandlung und lebt in einer Klinik.

Genau diese ist schwer geschockt, als sie erfährt, dass ihr Bruder tot ist und nur Weisberg kann sie davor bewahren, dass sie sich aus dem Fenster stürzt. Wie Thiel und Boerne von der Klinikleiterin erfahren, leidet Hanne an einer dissoziativen Störung  und benimmt sich in Stresssituationen wie ein kleines Mädchen. Vorsichtig versuchen die beiden Hanne Dinge zu entlocken, die ihnen vielleicht bei ihren Ermittlungen helfen könnten. Immerhin hatte sich Wolfram an der Beerdigung seiner Stiefmutter heftig mit seinem Vater gestritten. Ging es dabei wirklich nur um Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Therapie von Hanne? Oder ist es womöglich kein Zufall, dass die Menschen in der Umgebung von Henner Baermann gefährlich leben? Hanne kennt die Antwort, doch sie schweigt.

von Jolli

Gastdarsteller

  • Jenny Schily
  • Otto Mellies
  • Julika Jenkins
  • Harald Schrott
  • Tina Engel
  • Oliver Bokern
  • Prodromos Antoniadis
  • Siggi Kautz
  • Renate Becker


Jolli meint:

Diese Episode ist im Gegensatz zur vorherigen weniger auf Boerne fixiert, was aber nicht heißt, dass sie weniger gut wäre. Die eigentliche Ermittlungsarbeit wird hier mehr ins Zentrum gerückt. Der Eifersuchts-Klassiker zwei Männer, eine Frau kommt dabei ebenso zum Zug, wie dunkle Familiengeheimnisse. Gerade letzteres wird durch die traumatisierte Hanne und den fast friedlich wirkenden Vater, der am Ende sein wahres Gesicht zeigt, sehr deutlich erzählt und wirkt beinahe erschreckend.

Eindeutig meine Lieblingsstelle ist das erste Gespräch von Boerne und Thiel mit Hanne, die ungeniert Boernes Krawatte zerschneidet, um damit Vorhänge für ihr Puppenhaus zu basteln. Oder ihrer freie Art als sie fragt:
Hanne: „Wie heißt denn du?“
Boerne: „Karl-Friedrich.“
Hanne: „Das ist ja blöd. Ich nenn‘ dich… Fritz.“
Wie Thiel sich darüber köstlich amüsiert, ist genial.
Auch die Szene, als die Staatsanwältin verzweifelt nach ihren Zigaretten sucht und dann den Feueralarm auslöst, weil sie heimlich in der Toilette raucht ist ganz Münster-like.

Welchen Ruf Boerne unter Kollegen hat, wird bei dem Gespräch mit der Klinikleiterin klar, die Boerne ganz und gar nicht für sensibel hält. Dieses Gefühl hatte ich allerdings nicht, denn mit Hanne geht er sehr geduldig und einfühlsam um, besonders gegen Ende, als er versucht mit ihr die vergangenen Geschehnisse noch einmal Revue passieren zu lassen.
Das Zusammenspiel mit Thiel klappt hier auch hervorragend. Man merkt, dass die beiden inzwischen gelernt haben, dass sie am besten im Team arbeiten, auch wenn Thiel manchmal die ein oder andere Bemerkung, dass Boerne sich aus der Polizeiarbeit raushalten soll, noch fallen lässt.



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Tatort – ‚Dreimal schwarzer Kater‘ (2003)

Inhalt

Dreimal schwarzer Kater_01

NDR/WDR/Michael Böhme

Alles beginnt mit einem tragischen Tod in einem Behindertenheim. Die junge Lisa Zenker, die seit einem Autounfall vom Hals abwärts gelähmt war, wird tot in ihrem Zimmer gefunden.  Alles sieht nach Selbstmord aus, doch ihr Vater, der völlig betrunken auftaucht, ist ganz anderer Meinung. Er hält Andreas Weis für den Mörder, der auch einst seine Tochter über den Haufen gefahren hat.

Bei all diesen Ereignissen ist Boerne nicht weit, denn er hat auf Alberichs Überredungen hin in eben jenem Heim, um das es finanziell nicht gut steht, ein kleines Klavierkonzert gegeben. Die Leiterin Katharina Stoll, die selbst im Rollstuhl sitzt, kämpft hartnäckig um jede Spende, um zu verhindern, dass das Heim geschlossen werden muss. Ein Todesfall ist da nicht gerade hilfreich, aber sie kann auch verstehen, dass das verzweifelte Mädchen keinen anderen Ausweg gesehen hat.

Boerne findet schnell Gefallen an der kecken Katharina und lädt sie zum Essen ein, während Thiel eigentlich keinen Grund sieht, umfassende Ermittlungen wegen der toten Lisa einzuleiten. Dies ändert sich aber schlagartig, als Weis getötet und sein Haus in Brand gesteckt wird.
Der erste Verdacht fällt natürlich auf den rachsüchtigen Helmut Zenker, doch es scheint noch eine andere Spur zu geben, die zum Anwalt Christof Duge führt.

Boerne und Katharina kommen sich in der Zwischenzeit näher, doch Thiel bleibt skeptisch, denn er hat das Gefühl, dass die reizende Heimleiterin noch etwas verbirgt. Als auch Boerne sie eines Abends beobachtet, wie sie Dokumente aus einem Bahnhofsschließfach holt, die sie Anwalt Duge übergibt, wird er misstrauisch und konfrontiert sie mit seinen Verdächtigung, was natürlich einen heftigen Streit nach sich zieht.
Dabei hat der Rechtsmediziner schon genug Probleme, denn das moderne Computerprogramm, das eigentlich perfekte Gesichtsrekonstruktionen erstellen soll, funktioniert nicht und der angereiste Experte aus London ist ein junger, verrückter Kerl, der nur arbeiten kann, wenn er genug Haschisch konsumiert hat.

Während Thiel versucht, aus Zenker eine klare Aussage herauszubekommen, beschattet Boerne Katharina auf eigene Faust und kommt hinter ein schmutziges Geheimnis, das schließlich auch die Heimleiterin selbst in Lebensgefahr bringt.

von Jolli

Gastdarsteller

  • Oliver Bokern
  • Caroline Peters
  • Christian Goebel
  • Wolfgang Packhäuser
  • Stephan Bissmeier
  • Bernd Grawert
  • Maximilian von Pufendorf
  • Mario Mentrup


Gabi meint:

Boerne untersucht einen Leichenfundort im Abendanzug mit weißem Schal, denn eigentlich ist er auf dem Weg zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung, um dort als Pianist eine Beethovensonate vorzutragen (Awesome Skill No. 2). Dabei begegnet er der attraktiven Rollstuhlfahrerin Katharina, die ihm an Scharfzüngigkeit und schwarzem Humor mindestens ebenbürtig ist, und er beginnt alsbald heftig mit ihr zu flirten, indem er sie zum ‚Essen auf Rädern‘ einlädt. Beide kommen sich näher, und Boerne scheint sich ernsthaft zu verlieben; die Beziehung scheitert jedoch, wobei nicht ganz klar wird, ob es nun an Katharinas Verwicklung in den Fall liegt oder daran, dass er mit ihrer Behinderung nicht zurecht kommt.

Eine echte Highlight-Folge, nicht nur für Boerne-Fans. Dialoge und Situationskomik sitzen und sind nie überzogen. JJL scheint in seiner Rolle jetzt so richtig angekommen zu sein; wo manches in den ersten beiden Folgen doch noch etwas gekünstelt wirkte, ist seine Gestik jetzt immer noch expressiv, aber im Rahmen des Realistischen. Dasselbe gilt für Sprache und Stimme. Das ist wirklich der Boerne, dem man ohne weiteres auch im realen Leben begegnen könnte.

Der stimmige Fall, die durchweg guten Darsteller und der niedliche Computerfreak Archie runden das Ganze ab.


Jolli meint:

Das ist schon eher wieder eine Episode nach meinem Geschmack. Schon die erste Szene mit Boerne im feinen Frack, wie er im dreckigen Baustellenloch die Knochen der Wiedertäufer begutachtet, finde ich schon genial, aber schon gleich danach beweist der Professor eindrücklich, dass er nicht nur ein gutes Gehör für klassische Musik, sondern durchaus auch das Talent zum großen Pianisten hat. Unschlagbar ist, wie kindlich beleidigt er hinterher auf die Kritik von Katharina reagiert.

Überhaupt gefällt mir diese ganze „Liebesgeschichte“ zwischen Boerne und Katharina sehr. Als Tatort-Fan weiß man aber eigentlich schon von Anfang an, dass das nicht gut ausgehen kann. Sowohl Boerne, als auch Thiel sind für die Serie als Einzelgänger konzipiert, da müssen alle zaghaften Ansätze einer entstehenden Beziehung früher oder später scheitern.
Bevor dies aber in dieser Folge geschieht, zeigt sich Boerne wirklich von seiner charmanten Seite. Er lädt Katharina schick zum Essen ein und rackert sich beim Joggen ab, nur um sie zu beeindrucken.

Leider kommt es dann aber bald zum Konflikt und man merkt sehr deutlich, dass Boerne tief getroffen ist von der Tatsache, dass Katharina ihn belügt und in illegale Deals verwickelt ist. Aber wahrscheinlich ist das insgeheim auch nur ein vordergründiger Beweggrund und in Wahrheit steckt in Boerne eine gewisse Angst vor Katharinas Behinderung.

Zu meinen Lieblingsstellen gehört die Szene, als er nach der Joggingtour den unheimlichen Beobachter mit lautstarken Worten vertreibt. Da kommt doch trotz allem ein gewisser Beschützerinstinkt durch. Auch später, als er auf den Anruf hin sofort in das Restaurant fährt, weil sich Katharina bedroht fühlt. Obwohl er eigentlich gekränkt ist von ihrem Vorgehen, beweist das doch, dass er ernsthafte Gefühle für sie hat.

Der Knoten platzt dann, als Boerne nicht mehr länger seinen Frust verschweigen kann und sie damit konfrontiert, dass er von ihren Geschäften Bescheid weiß. Spätestens da wird klar, dass aus dieser Beziehung nichts wird. Fast schon traurig ist dann später die Stelle, als er mit ihr nochmal redet und er sich eingestehen muss, dass er sie trotz allem nie wie einen Menschen sehen wird, der nicht im Rollstuhl sitzt.

Neben all diesen Emotionen gibt es aber natürlich auch wieder genug witzige Momente. Unschlagbar ist der legendäre Briefkasten oder Archie, der verrückte Freak, der sich in kein Transportmittel setzt und Boerne mit seiner durchgeknallten Art ganz schön auf den Keks geht. Die nächtliche Verfolgung von Katharina am Bahnhof ist einfach klasse oder die Szene, als Thiel in Boernes Wohnung kommt und statt dem gewohnten Wagner harte Rockmusik zu Ohren bekommt.

Die vielen Lieblingsstellen beweisen, dass dies meiner Meinung nach eine sehr gelungene Episode ist. Der eigentliche Kriminalfall ist trotz der Todesopfer relativ harmlos. Zentral sind tatsächlich die Emotionen, die hierbei besonders bei Boerne einen doch weichen Kern offenbaren, vor dem Hintergrund der Konfliktfrage, wie Menschen mit Behinderungen in der heutigen Gesellschaft klarkommen.



Ein Kommentar

Tatort – ‚Fakten, Fakten‘ (2002)

Inhalt

Tatort Fakten Fakten (3)Eigentlich hat sich Bernhard Dreiden ein gemütliches Wochenende mit seinen beiden Kindern erhofft, die sonst bei seiner geschiedenen Frau Agatha leben, doch die beiden sind längst von ihrem Vater entfremdet und schließen sich in ihrem Zimmer ein. Die Lage verbessert sich nicht gerade, als ausgerechnet vor seinem Haus ein Mord geschieht und es sich bei dem Opfer auch noch um den krankhaft eifersüchtigen Freund von Juliane Kraft handelt, mit der Dreiden einst ein Verhältnis hatte.

Für Thiel spricht alles dafür, dass es sich bei Dreiden um den Täter handeln muss, doch Boerne weigert sich strikt diese Anschuldigung zu akzeptieren, denn Dreiden ist ein alter Studienfreund von ihm, dem er eine solche Tat einfach nicht zutraut. Hartnäckig versucht der Rechtsmediziner Hinweise zu finden, die Dreidens Unschuld beweisen, auch wenn alle Fakten gegen den Mann sprechen, vor allem, als auch noch die Tatwaffe in seinem Haus gefunden wird.

Die beiden Kinder scheinen etwas gesehen zu haben, schweigen jedoch. Thiel ermittelt auch im unmittelbaren Umfeld des Opfers und macht dabei Bekanntschaft mit der attraktiven Juliane Kraft und ihrem liebenswerten Sohn Max. Je länger der Hauptkommissar nachforscht, desto klarer wird auch ihm, dass Dreiden womöglich nur das Bauernopfer ist, dem der Mord in die Schuhe geschoben werden soll. Vielmehr erweckt nun Julianes Exmann und dessen Mutter seinen Verdacht. Thiel wittert ein Familiengeheimnis, das er zu lüften versucht.

Und er muss sich beeilen, denn plötzlich verschwindet auch Juliane spurlos. Ist sie ebenfalls einem Verbrechen zum Opfer gefallen? Thiel kümmert sich um den kleinen Max und durch ihn erhält er auch endlich die Möglichkeit, Dreidens Kinder zu einer Aussage zu bewegen, die ein ganz neues Licht auf den Fall wirft.

von Jolli

Gastdarsteller

  • Oliver Stritzel
  • April Hailer
  • Michael Schiller
  • Vasiliki Roussi
  • Gudrun Ritter
  • Gertrud Roll
  • Martin Kurz
  • Oliver Bokern
  • Thomas Kylau


Gabi meint:

Gleich zu Beginn erhält Boerne einen riesigen häßlichen Pokal: Er hat in seinem Club ein Springreiten gewonnen (Awesome Skill No. 1 – wir sollten eine Liste machen). Die Szene dient zur Verdeutlichung, dass er sich auf dem gesellschaftlichen Parkett zu Hause fühlt (im Gegensatz zu Thiel), und für die Episode stellt sie den Bezug zum Hauptverdächtigen Professor Dreiden her, der demselben Club angehört und seit Jahren mit Boerne befreundet ist. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Boerne seinem Freund nicht geholfen hätte, seine Kleider verschwinden zu lassen, um eventuelle belastende Spuren zu beseitigen – aber Thiel ist dabei, damit ist das keine Option, stattdessen konzentriert Boerne sich darauf, Beweise zur Entlastung Dreidens zu finden.

Boerne darf in dieser Folge ausgiebig mit seinen fachlichen Fähigkeiten glänzen. Seine anschauliche Demonstration des wahrscheinlichen Tathergangs ist recht unterhaltsam, und er trägt schließlich entscheidend zur Lösung des Falles bei.

Was mir nicht so ganz klar ist: wieso eigentlich verdreht jeder unweigerlich die Augen, sobald Boerne den Mund aufmacht oder auch nur einen Raum betritt? Seine Art ist manchnal etwas übereifrig, aber was er sagt, hat Hand und Fuß. Natürlich ist es für Thiel anstrengend, Boerne quasi rund um die Uhr ausgeliefert zu sein, aber andererseits sollte er ihn doch gerade deshalb besser kennen. Nun, Vorurteile leben lang, doch im Lauf der Folge kommt es tatsächlich zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit der beiden Antagonisten. Zusammen Wäsche waschen verbindet.


Jolli meint:

Im Vergleich zur Pilotfolge rutscht diese Episode leicht ab. Humor und schlagfertige Dialoge sind auch hier inbegriffen, allerdings sagt mir der Plot nicht ganz zu. Trotz ausgiebiger Ermittlungen kristallisiert sich relativ schnell heraus, was mit Juliane geschehen ist und wer der Mörder ist. Wirklich süß ist aber natürlich der kleine Max, der vermutlich dazu da war, die Seite der fürsorglichen Vaterfigur bei Thiel zu wecken.

Boernes problematische Lage in dieser Folge ist vermutlich ein weiterer Schritt, seine generelle Konfliktsituation zwischen alten Bekanntschaften und dem Arm des Gesetzes hervorzuheben. Dass er vollkommen in diesen elitären Lebensstil integriert ist, zeigt bereits die Siegerehrung am Anfang der Episode. Dass dann auch noch ausgerechnet der Hauptverdächtige ein alter Freund ist, macht es für ihn nicht einfach, objektiv an den Fall heranzugehen.
Aber es bietet auch die Möglichkeit zu zeigen, dass Boernes Wort nicht als in Stein gemeißelt von allen sofort akzeptiert wird, sondern dass durchaus der sonst so integrierte Rechtsmediziner um seine Anerkennung kämpfen muss.

Nun kann er beweisen, was er an Fachwissen alles drauf hat und wie weit diese Kompetenz reicht, muss Thiel schlussendlich auch erkennen. Es ist klar, dass gerade in dieser Anfangsphase das Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Hauptcharakteren erst noch aufgebaut werden muss. Die Szene im Waschkeller trägt auf ihre Weise wohl irgendwie dazu bei. Vor allem aber gefällt mir die kurz darauf folgende Szene in der Turnhalle, in der Boerne Thiels Arbeit vor der Staatsanwältin verteidigt.
Klemm: „Seit wann ist er Ihr Anwalt? Haben Sie zusammen eine Leiche vergraben?“
Thiel: „Wir haben zusammen Wäsche gewaschen.“
Das sagt doch irgendwie alles.
Und dass trotz der ständigen Konflikte auch Boerne erkennt, wie wichtig die Zusammenarbeit mit Thiel ist, wird in einer letzten Szenen sehr deutlich. Statt wie zu erwarten war, die Lorbeeren ganz für sich zu beanspruchen entgegnet er auf Klemms Frage: „Wir betrachten uns eigentlich eher als ein Team. Da ist einer nichts ohne den anderen.“
Ein Satz, der eigentlich noch für alle zukünftigen Münster Tatorte zentral sein wird.

Insgesamt also eine wichtige Episode für die Charakterzeichnung, doch der Fall an sich ist doch eher etwas lasch.



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Tatort – ‚Der dunkle Fleck‘ (2002)

Inhalt

Der dunkle Fleck (4)Eine Moorleiche beschäftigt die Münsteraner Kriminalpolizei. Noch ist die junge Frau nicht identifiziert, doch uralt scheint sie nicht zu sein, denn sie trägt Turnschuhe und eine alte Schuluniform. Doch das ist nicht das einzige Rätsel, mit dem sich Hauptkommissar Frank Thiel, der sich gerade erst von seiner Heimatstadt Hamburg hat hierher versetzen lassen, beschäftigen muss. Die junge Jennifer Müller erklärt ihre Mutter für vermisst und Blutspuren in der Tiefgarage der Frau deuten tatsächlich auf ein Verbrechen hin.

Ganz so turbulent hat sich Thiel seinen Einstieg nicht vorgestellt und schon gar nicht die erste Begegnung mit seinem Vermieter und Nachbarn, dem er versehentlich bei der Begrüßung die Vorderzähne mit einem Bettgestell ausschlägt. Was er nicht ahnt: er hat niemand anderen als den stellvertretenden Leiter des Rechtsmedizinischen Instituts Professor Karl-Friedrich Boerne vor sich. Die schmerzhafte erste Begegnung liefert nicht gerade die Grundlage für eine entspannte Beziehung, aber Thiel erkennt schnell, dass sich der elitäre Boerne nicht nur damit zufrieden gibt, ein paar Leichen zu sezieren. Hanseatische Bodenständigkeit trifft auf Westfälische Bourgeoisie: der Beginn einer ungewöhnlichen Freundschaft.

Doch, so müssen beide schnell erkennen, sie können diesen Fall nicht ohne den anderen lösen. Während Boerne also zusammen mit seiner kleinwüchsigen Assistentin Silke Haller – von ihm sowohl provokativ, wie auch liebenswürdig Alberich genannt – versucht die Identität der Moorleiche zu klären, versucht Thiel mit der jungen Nadeshda Krustenstern, die unter ihm ihre Ausbildung zur Kommissarin abschließen soll, die losen Enden dieses verzwickten Falls zu verknüpfen.

Was ist mit der verschwundenen Frau Müller passiert? Besteht womöglich sogar ein Zusammenhang mit dem Auftauchen der mysteriösen Moorleiche? Und welche Rolle spielt die Münsteraner Nobelfamilie Alsfeld in alldem?

von Jolli

Gastdarsteller

  • Oliver Bokern
  • Sandra Leonhard
  • Dieter Kirchlechner
  • Renate Schroeter
  • Bastian Trost
  • Michaela Schaffrath


Gabi meint

Der erste Fall für Thiel und Boerne, eine der besten Folgen und eine der wichtigsten für die Charakterisierung der Figuren. In den Grundzügen ist schon alles da, was die Eigenarten der Hauptpersonen und ihrer Beziehungen zueinander ausmacht, obwohl das später noch einerseits differenziert, andererseits zugespitzt wird, und vor allem auf Boerne trifft das in besonderem Maße zu.

Wir lernen den Professor  mit seinen typischen Eigenschaften kennen. Er ist egozentrisch und exzentrisch, ungeduldig, sarkastisch, rücksichtslos, arrogant, besserwisserisch, eitel… die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Gleichzeitig überrascht er immer wieder durch Wesenszüge und Verhaltensweisen, die man nicht bei ihm vermutet hätte, und einiges wird sogar direkt ausgesprochen: Seine Zwergenwitze über Alberich sind ’seine Art, ihr seine Wertschätzung zu zeigen‘ (Klemm zu Thiel), er weiß auch selbst genau, was er an Alberich hat: ‚Was wäre ich ohne sie‘, trotz seines zur Schau getragenen Snobismus hat er mit dem Dünkel der besseren Münsteraner Gesellschaft überhaupt nichts am Hut, seine Auftritte sind oft reine Show (‚Und,wie war ich?,‘ nach einer Telefon-Tirade), und natürlich der Schlüsselsatz schlechthin: ‚Keine Sorge, morgen bin ich wieder mein altes garstiges Selbst.‘

Meiner Meinung nach wird hier ganz klar, dass viele seiner Eigenheiten Teil einer sorgfältigen Selbstinszenierung sind, die sich mittlerweile zum Teil verselbständigt hat. Er wirkt hier auch längst nicht so verschlossen wie oft in späteren Folgen und seine Sprüche sind nicht gar so ätzend. Offenbar hat man hier getestet, wie das Konzept und so eine Figur beim Publikum ankommen, und aufgrund des durchschlagenden Erfolgs eben die weniger angenehmen Seiten Boernes zugunsten der Komik, aber zu Lasten der Charaktertiefe mehr in den Vordergrund gestellt.

Glücklicherweise  gibt es auch später immer wieder den ‚anderen‘ Boerne zu sehen, ich habe ihn also nicht nur geträumt.


Jolli meint:

Ein gelungener Start für ein neues Tatort-Team. Alle Hauptcharaktere werden sofort mit all ihren Facetten eingeführt, die sie im Laufe der nächsten Jahre noch deutlicher prägen werden. Ganz vorne mit dabei natürlich Karl-Friedrich Boerne, der besserwisserische Snob, der mit seinem Hang zum Schönen und Teuren natürlich einen hervorragenden Kontrast zum doch eher bescheidenen und wortkargen Thiel bildet. Wer die ersten Interaktionen zwischen den beiden sieht, ahnt bereits, was für eine verrückte Beziehung sich im Laufe der Zeit entwickeln wird.

Eine meiner Lieblingsszenen ist ganz klar die erste Begegnung im Flur, die Boerne schließlich die Vorderzähne kostet. Man erkennt, dass der Münsteraner Tatort nicht vor hat, nach alten Mustern zu arbeiten, sonst hätte es Boerne vermutlich schon beim ersten Mal erwischt. Aber es ist vielleicht auch eine Anspielung auf Boernes Schlagfertigkeit. Mit dem ersten Schwung rechnet er bereits, dann erwischt ihn Thiels Attacke aber doch eiskalt.

Dass Boerne nicht einfach nur eine nervtötende Witzfigur ist, zeigen die Szenen, in denen klar wird, wie vielschichtig der Charakter ist. Er zieht Alberich ständig mit gemeinen Bemerkungen auf, gleichzeitig ist sie aber auch der „Goldzwerg“ für ihn. Wenn es ihm nur darum gegangen wäre, sie zu ärgern hätte er sie ja auch Zwerg Nase nennen können. Er sagt ja auch „Was wäre ich ohne sie?“ und sie nennt ihn den „besten Chef, den‘s gibt.“
Eine weitere Lieblingsszene ist sicher auch die Szene im Moor. Der Schlagabtausch Boerne-Thiel-Alberich-Bulle ist einfach genial (schade nur, dass die Figur des Bulle nach einigen Episoden sang- und klanglos verschwindet).

Schwächen gibt er nur wenige preis. Trotzdem redet er mit Thiel über seine gescheiterte Ehe und er tröstet die tief getroffene Jennifer, nachdem sie die Wahrheit über ihren Vater erfährt.

Von dem braven Rechtsmediziner, der immer nur in seinem Institut bleibt und die Polizei ihre Arbeit machen lässt, ist Boerne weit entfernt. Dass er sich auch mutig selbst ins Getümmel stürzt, zeigt schon die Szene, als er sich mit seinem Auto dem verdächtigen Wagen in den Weg stellt, um ihn aufzuhalten. Noch deutlicher wird es aber später in der alten Kaserne der Briten, als er trotz Thiels unmissverständlicher Aufforderung zurückzubleiben nicht von der Seite des Hauptkommissars weicht und deshalb fast gegrillt wird.

Die Wahl des Themas, mit den Alsfelds einen Bezug zur Münsteraner Oberschicht herzustellen, kommt sicher nicht von ungefähr. Schließlich spielt Boernes Zugehörigkeit zur lokalen Elite immer wieder eine Rolle, auch in zukünftigen Episoden. Dass er dabei immer wieder hin- und hergerissen ist zwischen gesellschaftlichen Loyalitätsverpflichtungen und persönlichen Gefühlen macht ihn wiederum zu einem Charakter, für den der Zuschauer Sympathie empfindet.

Alles in allem also eine sehr gelungene Episode, die Lust auf mehr macht.


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